Die sieben Monde des Jakobus: Roman (German Edition) by Riebe Brigitte

Die sieben Monde des Jakobus: Roman (German Edition) by Riebe Brigitte

Autor:Riebe, Brigitte [Riebe, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783641013721
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2009-01-25T23:00:00+00:00


*

In den Bergen von St. Guilhem-le-Désert, Juni 1563

»Wir haben uns verlaufen.« Clara stützte sich auf den Stock, den Bruno ihr von einer Eiche geschnitten hatte, und sah sich um. Seitdem war das Gehen einfacher für sie geworden, vor allem, wenn es wie heute ständig bergauf ging. »Wir müssen vom Weg abgekommen sein. Nicht mehr als eine Stunde, hat der alte Bauer gesagt. Das war am frühen Nachmittag. Jetzt geht die Sonne bald unter – und von diesem St. Guilhem, von dem du dauernd redest, ist noch immer nichts zu sehen.«

»Ich weiß schon, was ich tue«, erwiderte Bruno brummig. »Aber wenn du mir nicht glaubst, kannst du ja umkehren.«

Die Sonne hatte sich zwar hinter den Wolken versteckt, aber es war schwül. Der steile Weg zwischen Nesseln und der wild wuchernden Garrigue, die an manchen Stellen knöchelhoch wuchs, war mühsam. Sogar das Aroma von Thymian, Rosmarin und Kamille, die am Wegrand wuchsen, war unerträglich in der drückenden Hitze. Camille war besonders wortkarg. Gedankenverloren wäre sie beinahe über einen Baumstumpf gestolpert.

»Ich kann nicht mehr.« Sie wischte sich den Schweiß ab. »Meine Beine sind wie Blei.«

»Und ich will nicht mehr«, fiel Clara ein. »Wir brauchen einen geschützten Platz für die Nacht. Kann sein, dass Regen kommt.«

»Den sollt ihr haben«, sagte Bruno plötzlich. »Gleich. Hört ihr nichts?«

»Wasser«, sagte Jakob und lauschte. »Das muss Wasser sein. Ist das schon ein Regenguss, oder kommen wir jetzt doch nach – wie hieß das Dorf?«

»Nichts von beidem«, sagte Bruno. »Seht doch!«

Zwischen steilen Felswänden öffnete sich ein enges Tal. An der Nordseite rann ein Bach herab und sammelte sich in einem natürlichen Bassin. Südlich davon führte ein Höhleneingang ins Berginnere. Daneben erhob sich eine Steinkapelle mit spitzem Turm. Harzgeruch lag in der Luft.

Es war so still, dass ein Vogelruf überlaut klang.

»Bruno!« Eine kleine Frau in geflickter Kutte stand plötzlich vor ihnen. Ihr silbernes Haar war kurz geschoren, das Gesicht so rund und braun wie eine Sonnenblume. Auf ihren Brüsten baumelte ein seltsames Gebilde aus Rindenstücken und Steinen. Helle Augen streiften die Tiere, dann den Jungen und die beiden Frauen. »Du bist zurück. Und nicht allein, wie ich sehe.«

Er wirkte mit einem Mal verlegen wie ein Junge. »Deine Familie?«, sagte sie fragend.

»Nein.« Es klang bedauernd. »Pilger wie ich auch. Wir haben uns unterwegs zusammengetan. Und ich bin auch noch nicht zurück. Hab mich noch einmal auf den Weg gemacht. Doch dieses Mal bringe ich es zu Ende.«

»Du warst schon einmal hier?«, sagte Jakob. »Hier, mitten in der Wildnis?«

»Das ist lange her.«

»Aber warum hast du nichts davon gesagt?«, bohrte der Junge weiter.

Bruno zuckte die Schultern.

»Du kannst noch so viel an der Olive zupfen«, die Fremde lächelte, »sie wird deshalb nicht früher reif.«

»Wer bist du?« Jakob starrte sie neugierig an.

»Schwester Christina«, sagte sie. »Willkommen in meiner Einsiedelei!«

»Du lebst ganz allein hier?«, fragte Clara.

»Gott ist bei mir. Außerdem habe ich Hühner und Ziegen.

Meinen Garten, in dem mehr wächst, als ich zum Leben brauche. Und ab und zu verirrt sich jemand hier herauf.« Beim Reden schloss sie die Augen, als sei es eine Anstrengung. »Ich zeige euch, wo ihr schlafen könnt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.